Die erste Schulwoche

Stille. Absolute, drückende Stille. 

Etwa 80 Kinder sitzen auf dem Boden, alle Lichter sind aus. Drei eimsame Scheinwerfer strahlen auf die Flagge der Staaten während sie ruhig im Luftzug weht. Der Lehrer verriegelt die Tür. 

Mit dem ersten Pobealarm weiß ich nun eindeutig: ich bin auf einer amerikanischen Schule. 

Was das für mich bedeutet und wie es mir bisher hier ergangen ist, möchte ich nun ein wenig erläutern. 

FYI neben dem Lockdown-Drill, gibt es hier noch einige andere Probealarme. Shelter-Drill falls ein Tornado vorbeischaut und dann natürlich auch noch der Feueralarm. 

Der erste Schultag war fuer mich ziemlich entspannt. Ich kannte schon den ein oder anderen, die Lehrer*innen machten so gut wie nur Kennenlernspiele und ich war begeistert von all dem Neuen das es zu erkunden galt. Einige Erstaunlichkeiten gab es dennoch. Beispielsweise kam der “pledge of allegiance” ueberraschend. Ich wusste das es ihn gibt, war aber trotzdem etwas perplex als ploetzlich alle aufstanden, sich zur Flagge drehten und dann nicht nur Amerika ihre treue schworen sondern auch Texas. In jeden Klassenzimmer haengt also eine US-Flagge, wie auch eine Texas Flagge. Mal sind sie groesser mal sind sie nur Plastik-Faehnchen. 

Der Stundenplan gilt hier fuer ein Halbjahr, danach sind neue Faecher dran. In diesem Halbjahr habe ich English 3, Band, AP Statistics und US History.

English 3: Sehr ähnlich zu Deutsch in der 10. Klasse. Gedichte analysieren, Philosophie der amerikanischen Ureinwohner interpretieren und sehr viele Aufsätze schreiben. Ich denke das ist für mich das langweiligste Fach, aber wat mut dat mut. Es ist aber trotzdem recht anstrengend. Erörterungen auf Deutsch sind schon viel zu denken, und jetzt auch noch auf Englisch.

Band: Mit Band ist hier keine 4er Gruppe mit Gitarre, Sängerin, Schlagzeug und Bass gemeint. NEIIIN! Die Band hier ist eine vollwertige Highschool Marching Band mit mehr als 200 Musiker*innen, allein 24 Trompeten. Mehrere Auszeichnungen und Platz 4 in den ganzen Staaten.

Gestern war der erste große Auftritt auf dem Footballfeld mit allem was man sich vorstellen kann: Cheerleader die Flick-Flacks machen, riesige und breite Footballspieler und Nationalhymne gesungen von einer der besten Schülerinnen im Schulchor. Der ganze Trubel war um den Beginn der Footballsaison zu markieren und das Footballteam einzustimmen. 

Es ist eine Menge Spaß, super nette Leute in Band, ich kenn direkt schon den ein oder anderen auf der Schule und muss nicht erst 3 Wochen lang aus 6000 Schueler*innen mir Freunde raussuchen. Auf der anderen Seite bin ich dafür auch von 8 bis 18 Uhr in der Schule. Fast vier Stunden davon Band.

In der 3. Stunde habe ich AP Statistics. Wir behandeln verschiedene Graphen und Auswertungsmoeglichkeiten von Daten. Wie man eine Umfrage richtig erstellt, wie man seine Testgruppe gut wählt und einiges mehr. Es ist wichtig zu wissen, dass es hier wie in Deutschland auch verschiedene Anforderungstufen im Unterricht gibt. Anders als in Deutschland ist es aber nicht auf 3 Schulen verteilt sondern alles auf einer Schule. Ein bisschen wie auf einer Gemeinschaftsschule. Es gibt also verschiedene „Schwierigkeitsgrade“ an Mathe. AP Stats ist der höchste und bereitet dich auf College/Uni vor. Der Unterricht ist auf den AP-Test zugeschnitten. Ein standardisierter Test, der wenn man ihn besteht, es einem ermöglicht dieses Fach (in meinem Fall Statistik) nicht mehr an der Uni belegen zu müssen.

Für mich ist es auf jeden Fall anstrengend. Unikurse belegen und dann auch noch auf Englisch, aber es macht sehr viel Spass und ich denke es ist ein fabelhafter Vorgeschmack auf das richtige Physikstudium. 

Lunch ist typisch, riesige Cafeteria, viel zu laut, Essen ist für mich gepackte Sandwiches, aber es gibt auch warmes (gar nicht so schlecht riechendes) Fastfood. (Das Fastfood, Der? Die??)

Die letzte Stunde des Tages ist US-History. Es wird viel debattiert. Mein Lehrer ist ehemaliger Soldat, hat lange Zeit gedient. Er war stationiert in Italien, Deutschland, Afganistan, dem Weißen Haus, und in noch so einigen anderen Gegenden. Mein Lehrer hat ewig viele Geschichten zu erzählen und gibt hauptsächlich Denkanstöße auf die wir dann eingehen. Für mich ist wohl das Spannenste, das diskutieren mit den Mitschülernm, darüber wie frei eine Marktwirtschaft sein sollte, und ob Rockefeller den Arbeitern einen Gefallen getan hat oder sie nur ausgebeutet.

Damit ist es dann 15:35 Uhr und der Unterricht ist beendet. Danach noch entspannte 2 Stunden Band bei 37 Grad aufm Asphalt und dann kann ich endlich um 18:30 Uhr nach Hause gehen und entspannen. Noe doch nicht, es gibt ja Hausaufgaben die alle benotet werden. Und man kann sie ja auch nicht den nächsten Tag machen, weil man hat ja alle Fächer JEDEN Tag. 

Um es kurz zu fassen:

Schule ist tatsächlich irgendwie stressiger, auch wenn der Unterricht viel lockerer und leichter ist. Meine erste Schulwoche hatte soweit keine Turbulenzen, verlaufen habe ich mich nur 3 Mal. 

Falls ihr irgendwelche Fragen habt, liebend gerne in die Kommentare. Mal sehen wann ich die Zeit finde mehr zu schreiben, es passiert auf jeden Fall sehr viel hier.

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Sonja
2 Jahre zuvor

Danke für den Einblick. Gut geschrieben. Sehr interessant, dieses amerikanische Schulsystem…
Klingt so, als ob der Geschichtslehrer nicht etwa Geschichte studiert hat, sondern Euch an seiner Lebenserfahrung teilhaben lässt

Philipp Burger
2 Jahre zuvor

Hi Karlo,
Ich find des mega Spannend deine Reise auf deinem Blog mit zu verfolgen. Bin echt gespannt was dich noch alles erwartet.

Gruß Philipp dein JF-ler

Uta Winter
2 Jahre zuvor

Super…dein Bericht.!!!🤗wann gibt es denn richtiges Essen (Zum Beispiel frisches Gemüse?) Nur mittags ein Brötchen?? 🤗😋 freut mich,dass du alles mit viel Augenzwinkern registrierst ,weiter so : nette Leute kennenlernen, Freude an der Musik und am Marschieren .Da kannst du in Schwieberdingen die Musiker auf Trab bringen auf den Dorffesten.😏😄

Falko
2 Jahre zuvor

Coole Sache zu lesen wie das alles in Texas so ist. Danke für die ausführlichen Infos und viel Erfolg mit eurer Band!

Patrizia J.
2 Jahre zuvor

Hallo Karlo, tolle Geschichten!!! Ich freue mich, dass du dich gut eingelebt hast- wir vermissen dich am HLG schon! Sonnige Grüße aus der Heimat!
Deine Physiklehrerin P. Joos:)